Keine Erstattung der Urlaubstage bei Quarantäne

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Endlich ist er da, der heiß ersehnte Urlaub: die Koffer sind gepackt oder, in Zeiten der Pandemie, die Sonnenliegen auf dem Balkon in Startposition gebracht.
Dann die Ernüchterung: die Corona Warn-App explodiert, der eigene PCR-Test resultiert positiv.
Kurz darauf folgt die Anordnung des Gesundheitsamts, sich in häusliche Quarantäne zu begeben.

Doch was passiert nun mit den Urlaubstagen? Ist ein Erkrankter auch automatisch arbeitsunfähig?

Das LAG Düsseldorf hat sich kürzlich mit einem solchen Fall beschäftigt.
Die Arbeitnehmerin (Klägerin) hatte infolge einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus während der Urlaubszeit eine Quarantäneanordnung erhalten.
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung holte sie, auch telefonisch, allerdings nicht ein.
Nun forderte die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin die Erstattung der Urlaubstage.

Das LAG Düsseldorf gab daraufhin zu obiger Fallgestaltung einige wichtige Leitlinien:

  • Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach § 1 BUrlG hat ausschließlich die Freistellung von der Arbeitspflicht und die Zahlung des Urlaubsentgelts zum Gegenstand.
    Einen darüber hinausgehenden "Urlaubserfolg" schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht.
  • Alle nach der Festlegung des Urlaubszeitraums und vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgelts eintretenden urlaubsstörenden Ereignisse fallen als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers.
  • Der Bescheid, mit dem dem Arbeitnehmer mitgeteilt wird, dass er nach § 2 Nr. 4 IFSG als Kranker anzusehen sei, ist nicht gleichwertig mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
    Die Begriffe der Erkrankung im Sinne des IFSG und der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des EFZG sind klar voneinander abzugrenzen.

Achtung Ausnahme:  

Etwas anderes gilt nach § 9 BUrlG, wenn der Arbeitnehmer in der bewilligten Urlaubszeit ärztlich bescheinigt arbeitsunfähig wird. 
Treffen Arbeitsunfähigkeit und Urlaub zusammen, hat die Arbeitsunfähigkeit Vorrang. 
Erkrankt der Arbeitnehmer im Urlaub also tatsächlich, und kann dies mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegen, sind die Urlaubstage zu erstatten.

Kurz & knapp:

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass eine Quarantäneanordnung während des Urlaubs, selbst in Verbindung mit einer vorliegenden Corona Infektion, nicht ausreicht, um einen Anspruch auf die Erstattung von Urlaubstagen zu begründen.
Nur bei einer aus der Erkrankung resultierenden  tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit, welche mit einer ärztlichen Bescheinigung zu belegen ist, besteht ein Anspruch auf die Erstattung von Urlaubstagen.

Allerdings: Das letzte Wort ist in diesem Fall noch nicht gesprochen. 
Auch das LAG Köln hat in einem ähnlichen Fall die Revision zum BAG zugelassen, da es sich um eine Grundsatzfrage handelt. 
Es ist also davon auszugehen, dass sich das BAG noch 2022 mit diesem Thema befassen wird.

Übrigens: 

Ebenso verhält es sich bei der Erkrankung eines Kindes des Arbeitnehmers während des Urlaubs.
Auch hier besteht kein Anspruch auf die Erstattung von Urlaubstagen.
Dieser ist immer an die eigene und durch Attest belegte Krankheit geknüpft.

Das Urteil des LAG Düsseldorf wird bei Arbeitnehmern wahrscheinlich nicht mit Jubel empfangen.
Es steht jedoch außer Frage, dass die Corona Pandemie nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber erheblichen Belastungen ausgesetzt hat, und dies auch weiterhin tut.
Ein offener Dialog im Unternehmen ist ein erster wichtiger Schritt.